Die Geschichte der Eisenbahn in Erdbach

Westerwaldquerbahn:

Eine Strecke brachte Segen, aber auch Leid

Werdegang der Eisenbahn in Erdbach von 1906 bis 1989

Die Eisenbahn wurde von Herborn bis Westerburg gebaut und 1906 in Dienst gestellt. Somit war der gesamte Westerwald mit einbezogen; fahrmäßig zur Arbeitsstelle und zurück. Auch einkaufsmäßig, von den einzelnen Ortschaften, konnte man in die Stadt fahren. Es war für alle Menschen ein großer Vorteil, da sie nun nicht mehr mit dem Fahrrad fahren oder gar zu Fuß gehen mussten. um zur Arbeitsstelle oder in die Stadt zu gelangen. Die Bahn sollte ursprünglich oberhalb des Amdorfer Bahnhofs im Tal unter der Neumühle direkt nach Schönbach fahren, aber der Besitzer des Erdbacher Kalksteinbruchs, Herr Emil Wurmbach, wohnhaft in Uckersdorf, hatte es anders vorgeschlagen. Die Bahn wurde dann tatsächlich bis nach Erdbach gebaut, um den Kalkabbruch des Steinbruchs auf die Bahn zu verladen. Mittels einer Kleinbahn, die auch gebaut werden musste (Kleinlok mit 10 Loren), wurde der Kalk vom Steinbruch zur Verladerampe gefahren. 7 Gleise waren hier am Bahnhof bis zur Verladerampe, die bis heute noch zu sehen ist. Auf dem 7. Gleis standen die Wagons von der Bahn, mit denen dann der Kalk abgefahren wurde.
Der Erdbacher Bahnhof war ja nun ein Sackbahnhof und auch ein Tunnel musste nach Schönbach gebaut werden.
Die ganze Bautätigkeit war sehr umfangreich für die damalige Zeit, es musste vieles per Hand getätigt werden.
Von der Eisensteingrube wurde auch das gewonnene Erz auf einer Rampe (Holzgerüst) im Bereich oberhalb der unteren Weiche verladen.

Westerwaldquerbahn

Der Erdbacher Spitzkehrenbahnhof war Teil der sogenannten Westerwaldquerbahn. Querbahn wurde die Linie deshalb genannt, weil sie anders als andere Strecken den Höhenzug zwischen Taunus und Bergischem Land nicht in Nord-Süd-, sondern in Ost-West-Richtung durchzieht. Ausgangspunkte der Strecke waren Herborn und Montabaur. Der steile Anstieg aus dem Dilltal machte in Erdbach den Bau eines Spitzkehrenbahnhofs nötig. Bis 1950 fuhren die Züge noch 19 Mal täglich den Erdbacher Bahnhof an, dann kam der Personenverkehr auf der Strecke jedoch völlig zum Erliegen. Den Güterverkehr stellte die Bundesbahn fünf Jahre später ein. Das ehemalige Bahngelände ist heute in Erdbach kaum noch als solches zu erkennen. Die Schienen sind abgebaut, und das Gelände hat die Gemeinde gekauft, um es anderweitig zu verwenden.(sah)

Erstes Unglück

1911 raste eine Lok mit Tender und Packwagen von Schönbach kommend in den Erdbach Bahnhof ein, der Prellbock am Ende der Gleise wurde zertrümmert und hat sich weiter in die Erde gegraben, bis vor das Haus Ernst Winkel. Die neue Schule stand im Rohbau (Bild vorhanden). Nach Beseitigung der Schäden, nahm die Fahrtätigkeit der Eisenbahn weiter ihren Lauf. Es wurden viele Frachttätigkeiten vom Bahnhof vorgenommen, beispielsweise Briketts wurden am Bahnhof abgeladen und die Einwohner konnten sich mit ihrem Fuhrwerk die Briketts dort abholen.

Zweites Unglück

1938 verunglückte an den unteren Weichen ein Personenzug. Eine verkehrte Weichenstellung war die Ursache. Ein Bahnbeamter hatte die Weiche zu früh umgestellt, gerade als der Zug darüber fuhr. Die Lok und ein Wagon waren schon durch als der nächstfolgende Wagon über die nun umgestellte Weiche fuhr und umkippte. Dies geschah am zweiten Weihnachtsfeiertag nachmittags. Meine Nachbarin, Gertrud Werner, wurde bei diesem Unglück verletzt. Man brachte sie noch ins Herborner Krankenhaus, sie erlag jedoch in der folgenden Nacht ihren inneren Verletzungen. Es wurde noch viel über dieses Unglück diskutiert.

Beim tragischen Zugunglück im Erdbacher Bahnhof kam seine Nachbarin ums Leben

Breitscheid-Erdbach (maz). Den 26. Dezember 1938 wird der Erdbacher Walter Winkel nie vergessen. Jenen Tag, als bei dem tragischsten Zugunglück in der Erdbacher Vorkriegsgeschichte seine 19jährige Nachbarin Gertrud Werner tödlich verletzt wurde. „Es kommt mir vor, als ob es erst gestern geschehen ist“, erinnert sich der heute 77jäh­rige noch an jenen zweiten Weihnachtsfeiertag vor 60 Jahren, als gegen 15.25 Uhr ein gewaltiger Schlag das ver­schneite Westerwalddörfchen erschütterte.

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Sofort rannte der damals Siebzehnjährige Walter Winkel von dem Haus seiner Familie in der Herborner Straße zum Ort des Geschehens, der We­sterwaldbahn von Herborn nach Westerburg. Dort traf er auf eine große Menschenmen­ge, die bereits damit beschäf­tigt war, Fahrgäste aus einem entgleisten Waggon des Perso­nenzuges von Schönbach nach Herborn zu bergen.

Der Zug war nur wenige Minuten zuvor vom Erdbacher Sackbahnhof abgefahren, ehe er ungefähr 200 Meter hinter dem Bahnhof durch eine zu früh gestellte Weiche in der Mitte auseinandergerissen wurde, wobei einer der Wagen auf die linke Seite umstürzte.

In dem Wagen befanden sich auch Walter Winkels 19jährige Nachbarin Gertrud Werner und sein damals 26 Jahre alter Bruder Arthur, die nach Herborn fahren wollte.

Nur wenige Minuten bevor Gertrud Werner in den Zug stieg, traf sie auf der Straße mit Walter Winkel zusammen, mit dem sie noch einige Worte wechselte.

Unter der Leitung eines unbekannten auf Urlaub wei­lenden Wehrmachtsoffizieres gelang es den Helfern, das Schwerverletzte Mädchen aus dem auf der Seite liegenden Wagen zu bergen und in den Bahnhofssaal zu tragen, wo man sie auf einen Tisch legte, wie sich Winkel erinnert.

Anschließend brachte man Gertrud Werner dann ins Her­borner Krankenhaus, wo die Ärzte schwere innere Verlet­zungen an Milz und Leber diagnostizierten.

Geschockt von den Ereignis­sen des Tages und froh dar­über, dass Arthur nichts pas­siert war, saß die Familie Winkel noch bis spät in die Nacht beisammen, als plötz­lich Gertruds Vater Hermann weinend zu ihnen nach Hause kam. Sichtlich erschüttert be­richtete er Walters Vater Wil­helm, dass seine Tochter kurz zuvor an den schweren Verlet­zungen gestorben sei.

„Das war damals ein Schock für ganz Erdbach und vor allem für die Geschwister von Gertrud, die heute noch le­ben“, berichtet Walter Winkel, der auch noch genau weiß, wie das Unglück geschehen konnte.

Der damals diensthabende Weichensteller, hatte aus Unachtsamkeit die Weiche zu früh gestellt, so dass der Wa­gen mit Gertrud Werner, der gerade über die Weiche fuhr, entgleiste. Der Beamte wurde nach dem anschließenden Un­tersuchungsverfahren mit ei­ner Geldbuße von 200 Reichs­mark bestraft, „was damals eine Menge Geld war“, so Winkel. Trotz seines unglück­lichen Handelns durfte der Beamte seinen Dienst am Erdbacher Bahnhof fortsetz­ten.

„Es erinnern sich heute noch viele ältere Einwohner an das Unglück“, erzählt Wal­ter Winkel, der das schreckli­che Erlebnis vor 60 Jahren „nie vergessen wird“.

Nach zahlreichen weiteren Unglücken in der Nachkriegs­zeit wurde die Westerwald­bahn in den achtziger Jahren endgültig für den Eisenbahn­verkehr geschlossen. Aller­dings aus anderen Gründen: Das Automobil machte der Bahn immer mehr Konkur­renz.

Drittes Unglück

Am 13. August 1973, morgens gegen 7.30 Uhr, lösten sich 20 Güterwagen, Nähe Krombachtalsperre Rehe, aus einem längeren Güterzug. Sie rasten durch alle folgenden Ortschaften, bis zum Erdbacher Sackbahnhof. Alle Versuche, die Wagen zum Stehen oder Entgleisen zu bringen, scheiterten. “ Wagen durchfuhren einfach den Prellbock und rasten in das am Kopfk- 3 des Bahnhofs stehende Haus von Willi Stunz, das dabei vollständig zerstört wurde. Die Wagen türmten sich hoch und begruben das Haus fast vollständig. Der neue Besitzer, Herr Günter Germann, war zu diesem Zeitpunkt auf der Arbeit. Seine Frau und seine Kinder befanden sich im Haus, kamen wie durch ein Wunder ohne großen Schaden davon. Die Oma, ebenfalls im Haus, ist in ihrem Bett umgekommen. Somit ist dieses Haus zum zweiten Mal durch Fremdeinwirkung völlig zerstört worden (das erste Mal während des zweiten Weltkriegs durch eine Fliegerbombe).

Viertes Unglück

Schienenbus zermalmte Baufahrzeug

Glück im Unglück: Personen kamen bei dem spektakulären Vorfall nicht zu Schaden

Breitscheid – Erdbach (hz). Günther Hoffmann, Kreisaus­schußmitglied und Geschäftsführer der Christdemokraten im Kreisgebiet, fühlte sich am 13. August 1973 an den zweiten Weltkrieg erinnert: „Das sieht ja aus wie nach einem Bombenan­griff“, meinte er an jenem Montag­morgen. Tatsächlich bot das Gelände um Bahnhof und Bürgermeisteramt der kleinen Westerwaldgemeinde Erd­bach ein grausiges Bild: Meterhoch türmten sich die Trümmer von 20 in­einander verkeilten Güterwaggons über den Überresten eines einst mas­siven Wohnhauses.

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Von dem Gebäude selbst blieb bis auf die Grundmauern nichts mehr übrig. Privatleute und Rettungsmannschaften konnten da­mals vier Kinder und eine Frau aus den Trümmerbergen retten. Für die 75jährige Anna Sturz freilich kam jede Hilfe zu spät.

Ein führerloser Güterzug war mit zwanzig Waggons von einem Ab­stellgleis bei Rehe die 17 Kilometer nach Erdbach gerast und hatte ein Bauernhaus demoliert, das bereits 1911 von einer ähnlichen Katastrophe heimgesucht worden war. Damals hat­te sich eine Lokomotive selbständig gemacht. Einstimmiger Tenor der Verant­wortlichen: „Ein solches Unglück darf sich niemals wiederholen.“

Doch vier Jahre später – beinahe auf den Tag genau an einem Montag im August – war es im Breitscheider Ortsteil wieder einmal soweit: Ein Triebwagen rammte einen zwischen

den Gleisen im Erdbacher Bahnhof abgestellten Bau-Unimog der Bundes­bahn, der gegen einen haltenden Gü­terzug geschleudert und regelrecht zermalmt wurde. Erheblicher Sach­schaden war die Folge. Auf die ge­naue Höhe wollten sich die zuständi­gen Stellen der Bundesbahn am Dienstag nicht festlegen.

Glück im Unglück hatten die beiden Bauarbeiter, die sich zu diesem Zeit­punkt in dem zu beladenden Güter­zug aufhielten. Die beiden Männer ka­men mit dem Schrecken davon. Von ihrem Baufahrzeug war nur noch ein Schrotthaufen übrig.

Die Untersuchungen über diesen spektakulären Vorfall laufen auf dem internen Dienstweg der Bahn. Dillen­burgs Kriminal- und Schutzpolizei

hatten nach eigenen Bekundungen mit dieser Angelegenheit nichts zu tun.

Verständlicherweise zog das erneute Eisenbahnunglück zahlreiche Neugie­rige an. Auch Ortschronist Willi Hof­mann fehlte nicht, um dieses Ereignis

Die letzte Fahrt

Am 18 Februar 1984 kam noch einmal als Sonderfahrt der Schienenbus nach Erdbach. Etliche Erdbacher hatten sich am Bahnhof eingefunden. Es war noch einmal eine Sensation, anlässlich der letzten Fahrt auf dieser Bahnstrecke.
Im Jahre 1989 war es dann soweit, sämtliche Gleise wurden abgerissen. Der Eisenbahnverkehr bis in den Westerwald ging damit zu Ende.

Bahn Rückbau

100 Jahr Feier Westerwaldquerbahn