Wallmerod – ein Vorbild für die Dorferneuerung Erdbach?
Mehr als Verblüfft war die Delegation des Arbeitskreises Dorferneuerung Erdbach am 3. Juni 08 über die Gemeinde Wallmerod bei einer Besichtigung im „Nachbarländle“ Rheinland- Pfalz. Wallmerod? Nie gehört! Irgendwo im dicksten Westerwald sollte dieses Dorf eine Vorbildgemeinde sein? Nun ja, Anschauen konnte man es ja mal…
Auch Wallmerod, erfuhr die Delegation bei einer Infoveranstaltung im Rathaus, genoss jüngst die Vorzüge des Dorferneuerungsprogramms. Es ist zwar im Gegensatz zu Erdbach eine Großgemeinde mit 21 Ortsteilen, aber viele Anregungen zum Wohnen im Ländlichen Raum sind nach dem Vorbild von Wallmerod für das kleine Erdbach durchaus eine Möglichkeit, die Lebensqualität nach der Dorferneuerung auch hier zu optimieren.
Das Prozedere zur DE lief in Wallmerod wohl ähnlich wie in Erdbach ab: Arbeitskreise, Bürgerbefragungen, Bedarfsermittlung, Kostenschätzungen und Bestandsaufnahme der örtlichen Gegebenheiten in den einzelnen Ortsteilen. Dabei stellte sich heraus, dass die meisten Ortskerne langsam verfielen und regelrecht verwaisten, da die Nachkommen es vorzogen auf der grünen Wiese lieber neu zu bauen, als in „Omas klein Häuschen“ mitten im Dorf zu wohnen. Die Folge davon war, dass die Orientierung zum nächsten Supermarkt, Restaurant oder der Disco in der Stadt tendierte, da ja sowieso das Auto benutzt werden musste um zur Arbeit zu fahren. Also, schloss zuerst die Dorfwirtschaft, dann der Bäcker, der Metzger und schließlich der Tante Emma Laden. In den alten Häuser wohnten jetzt nur noch ältere Mitbürger, die Bausubstanz verfiel zunehmend und die Dorfjugend bevorzugte gleich die Grosstadt, da war die Infrastruktur in ihren Augen wenigstens in Ordnung und man konnte mal ein Eis essen- oder ins Kino gehen.
Das kam der Delegation aus Erdbach durchaus bekannt vor. Nach dem Motto: „Stell dir vor, da ist ein Dorf und keiner lebt drin“, wird es ohne Anreiz in Erdbach sicher zukünftig auch so aussehen. Was kann man dagegen tun?
Wallmerod ging das Problem so an, indem die Kommune ein professionelles Marketingunternehmen beauftragte, die Situation der örtlichen Gegebenheiten zu untersuchen, zu analysieren und danach Lösungsvorschläge zu unterbreiten. In der Gesamtgemeinde Wallmerod wurden 800(!) zum Teil leerstehende Grundstücke und Objekte ermittelt, die entweder marode Bausubstanz aufwiesen oder in nächster Zeit dem Verfall und somit dem Verkauf preisgegeben waren.
Das Ergebnis der Marketinganalyse kann sich mittlerweile sehen lassen. Durch ein Förderprogramm der Kommune wurde zunächst ein Anreiz geschaffen, leerstehende Gebäude und Grundstücke im Dorfkern zu verkaufen und deren Ankauf zu bezuschussen. Eine Dorfbörse wurde ins Leben gerufen, in die jeder Hausbesitzer sein Objekt kostenlos einstellen- und ohne Maklerkosten zum Verkauf anbieten konnte. Die Käufer des Hauses, meist junge Familien, bekamen dann beim Kauf eines Dorfbörsenobjektes eine Bezuschussung aus dem Fördertopf, egal ob nur gekauft und renoviert wurde oder das bestehende Gebäude abgerissen und/oder neu gebaut wurde.
Seit dem Programmstart im Jahr 2004 wurden in Wallmerod 45 Anträge zur Bezuschussung aus dem Fördertopf bewilligt, davon allein 35 an „Junge Familien“, die jetzt wieder mitten im Dorf, anstatt in neu ausgewiesenen Baugebieten wohnen. Banken und Architekturbüros wurden „mit ins Boot“ genommen, um die Sanierung und Modernisierung in den Ortskernen voranzutreiben und somit die Ortskerne wieder attraktiv zu machen.
Wenn die alten Ortskerne wieder belebt werden, könnten sich auch wieder Anreize für kleinere Handwerksbetriebe, Dienstleistungsbüros und kleine Läden einstellen.
Die Mitglieder des Arbeitskreises der Dorferneuerung Erdbach traten in gelöster Stimmung die Heimfahrt an. Alle waren sich einig: „tolles Konzept, Superlösung auch für Erdbach!“
Diese Informationsveranstaltung der Gemeinde Wallmerod müssten sich jetzt auch noch all unsere Gemeindevertreter aus Breitscheid anschauen. Vielleicht würden sie dann darüber nachdenken ob im Haushalt noch eine Stelle für eine professionelle Marktanalyse und so einen Fördertopf geschaffen werden könnte. Schließlich muss das ja auch alles finanziert werden.
Brigitte Sänger