Früher war alles anders – stimmt dieser Ausspruch? Nun, früher ging, so meine Ich, alles gemütlicher, nicht so hektisch, vonstatten. Gerne erinnere Ich mich da an so manches dörfliche Fest.
Im „Ahle“, einem ehemaligen Steinbruch, oder in der „Gasseschlucht“, dem Naturschutzgebiet von Erdbach, landen früher alljährlich die Volksmissionsfeste statt. Ausrichter war die evangelische Kirchengemeinde. Anfang der sechziger Jahre war als Redner der damalige Kirchenpräsident Martin Niemöller eingeladen. Wir Jungen sahen „im Ahle“ hoch oben auf einem Felsen und betrachteten das ganze aus der Vogelperspektive. Mir ist dieser bedeutende Kirchenmann in Erinnerung geblieben als einer, der mit seiner überzeugenden Aussagekraft aufgrund seiner Erlebnisse in Nazi-Deutschland der Jugend etwas zu sagen hatte.
Später war der Platz neben der Dorfkirche der Ausrichtungsort, heute finden die Volksmissionsfeste im Dorfgemeinschaftshaus statt. Die Missionsfeste sind auch heute noch ein Fest für das ganze Dort, anschließend wird zu Kaffee und Kuchen eingeladen.
Die Sonntagsschulfeste werden mir auch im Gedächtnis bleiben. Auf dem Hain, wo sich der Sportplatz befindet, ging’s bei diesen Festen lustig zu. Ein geschälter Fichtenstamm, lief in die Erde gerammt, war die Attraktion. Hoch oben waren Süßigkeiten und eine Fleischwurst befestigt. Und ganz kühnen, behänden Kletterern war es vorbehalten, sich diese Köstlichkeiten zu holen. Oder Gimbel´s Anneliese lief, vollbeklebt mit „Zuckersteinen“ (Bonbons), kreuz und quer über den Sportplatz. Die Kinder versuchten, den einen oder anderen Karamelbonbon abzureißen. Eine lustige Sache.
Natürlich fehlte auch an diesem besonderen Sonntag nicht die Bibelgeschichte von Onkel Oskar. Und der konnte wahrlich spannend erzählen. Blinde Kuh und andere gemeinsame Spiele trugen zur Kurzweil bei.
Dass es für das Gemeinwesen in einem Dorf wichtig ist, intakte Vereine zu haben, ist jedem bekannt. Und gerade in Erdbach gab und gibt es davon einige: Die freiwillige Feuerwehr, der Gesangverein, der Fußballclub, der Schützenverein waren und sind wichtige Gruppierungen.
Hinter dem Bahnhof und später am Homberg wurden die Jubiläumsfeiern dieser Vereine in großen Zelten ausgetragen.
Am Festzug beteiligten sich alle örtlichen Vereine. Ehrendamen und geschmückte Fahrradfahrer waren die Vorhut des langen Festzuges. Die Ehrenmitglieder samt dem Schirmherrn wurden in einer offenen Kutsche chauffiert. Und danach waren die dekorierten und mit Bildern und Sprüchen versehenen Motivwagen zu sehen. Manche politische oder dörfliche Begebenheit wurde da öffentlich zur Schau gestellt zur Belustigung der Festbesucher, die die Straßen säumten.
Hut den Sportfesten des Fußballclubs war immer reger Betrieb. Viele Mannschaften der näheren Umgebung kämpften in sportlich fairer Manier um den begehrten Pokal und natürlich die Ehre, wieder ein Turnier gewonnen zu haben.
Ja, Anfang der sechziger Jahre war Erdbach schon eine Hochburg in der damaligen B-Klasse. Spannende, packende Duelle mit Schönbach, Uckersdorf, Breitscheid oder Donsbach standen auf dem Programm. Es kamen entsprechend viele Zuschauer, die guten Fußball sahen.
Seit dem Tag der Wiedervereinigung ist der 17. Juni kein Feiertag mehr. Damit hat auch das beliebte Fest des Natur- und Vogelschutzvereins in der Gasseschlucht“ ein Ende gefunden. Vielleicht sollte man dieses gelungene Fest neu terminieren.
So wie Feste zu einem Dort gehören, so auch die Mundart. Gab es mal eine Zeit, in der manche Dörfler ihre Mundart nicht über die Lippen bekamen, so ist sie heute wieder gefragt. Wir sollten unserer Westerwälder Art treu bleiben, uns der angestammten Mundart nicht schämen, denn sie Ist unsere wahre Muttersprache, von der Max von Schenkendorf sagte:
„Muttersprache, Mutterlaut, wie so wonnesam, so traut! Erstes Wort, das mir erschallet, süßes, erstes Liebeswort, erster Ton, den ich gefallet, klingest ewig In mir fort.“
Wilhelm von Humboldt sagte treffend: Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache.“
Daran sollten wir festhalten.
Quelle: Zeitungsgruppe Lahn Dill, Autor: Gerd Werner, Erdbach