Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als fast jedes Jahr die weiße Pracht Flure und Felder bedeckte, sogar bis in die Niederungen? Es war die Zeit, in denen es noch sehr an den heute so fortschrittlichen Dingen wie Telefon, Auto, Waschmaschine usw. mangelte. Es war die Zeit, wo man noch ein Kind mit einem Dauerlutscher oder einem Langnese-Eis für 10 Pfennig zufrieden stellen konnte. Die Zeit, wo in den Dörfern die ersten Neubaugebiete entstanden, also Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Erinnern Sie sich noch?
In meinem Geburts- und langjährigen Heimatort Erdbach, wohl eine der schönsten Gemeinden im ehemaligen Dillkreis, konnte ich als Junge den weißen Sport auf allen Hängen ausüben.
Liegt doch Erdbach in einem tiefen Talkessel, geschützt vor rauen Westwinden. Von allen Seiten konnte man von den damals unbebauten Bergen abfahren. Klassische Übungsstrecke für Anfänger war das »Schimmuch«, dort fanden sogar kleine Wettkämpfe im Skispringen statt. Fortgeschrittene durften dann im »Hinkedohl« oder am »Roieberg« ihre Künste präsentieren.
Die ganz Mutigen fuhren den »Hommerk« vom Sportplatz beginnend hinunter mit der Ungewissheit, ob diese rasante Abfahrt nicht auf dem Blechdach der Firma Ernst Hofmann endete. Ein gern befahrener »Berg« war auch der »Körrerschberg«.
Die Ausstattung entsprach damaligen Verhältnissen. Es war die Zeit, als der Wirtschaftsaufschwung nach dem Kriege gerade begann. Mittel waren knapp, neue Ski konnten sich nur die Begüterten leisten. Und so wurden die Einheitsski bei »Hannese Otto«, einem Stellmachermeister, bestellt, der sie in Eigenproduktion herstellte. Und dann die Bindungen: Keine Spezialfirma musste kommen, um sie einzustellen. Die Lederbindungen, an den »Genagelten« oder später den Gummistiefeln festgebunden, hielten jeder wilden Abfahrt stand. Hier waren Kunstfahrten noch gefragt. Schließlich die Abfahrten: Man war ja schnell unten, aber von wegen Lift, den gab es nicht. Die ganze Kondition war gefordert, und so wurde zuerst eine Bahn gemacht, und der beste Fahrer durfte die Spur abfahren, und alle anderen fuhren hinterher. Nach so manchen Abfahrten und den damit verbundenen Aufstiegen war in vielen Fällen die Schlussfahrt zur Oma fest eingeplant. Ich erinnere mich, dass wir zuerst in der Küche die Füße, nachdem die Gummistiefel ausgezogen waren, in den Backofen auf ein paar Scheiter Holz legten eine bequeme Art zur Erwärmung der halb erfrorenen Füße. Und Oma saß in den Wintermonaten meistens nachmittags an der Singer-Nähmaschine und war tüchtig am Nähen. Aber sie hatte immer Zeit, sich um mich zu kümmern. Da wurde dann auf der Herdplatte für den Enkel eine Riesterdonge gebraten, die dann mit Butter und Salz oder mit Quetschehoink bestrichen wurde. Bei dieser Gelegenheit konnte man mit der Oma Schulprobleme oder den Ärger zu Hause besprechen und ging immer mit ihrem guten Rat nach Hause. So sind Omas halt, immer auf Ausgleich bedacht. Eine wohltuende Zeit, damals im Winter im Dorf an Omas Herd.
Quelle: Zeitungsgruppe Lahn Dill, Autor: Gerd Werner, Erdbach