Die Erdbacher Faßschreiner

Der frühere bäuerliche Haushalt erforderte mancherlei Geräte, Werkzeuge und Gefäße, die aus den älteren Rohstoffen – Ton, Ei­sen, Holz – hergestellt wurden. Für ihre Anfertigung gab es jeweils besondere Hand­werker: Häfner/Töpfer, Schmiede, Schlosser, Klempner, Wagner und Schreiner. Aus die­ser Gruppe haben sich dann wieder Spezia­listen entwickelt – wie z. B. die Faßschreiner oder Küfer, die jedoch meist in Wein­baugebieten zu Hause waren. Von einem solchen Handwerker und seiner Arbeit soll hier kurz berichtet werden. ReinhardKlein aus Erdbach (1864-1925) war Schreiner, Wasserradbauer und Küfer. Er kaufte 1889 die mittlere Mühle zu Erd­bach, die „Trockenmühle“. In der Folgezeit betrieb er neben der Mahlmühle und einer kleinen Landwirtschaft eine Faßschreinerei, in der Butterfässer, Fleisch- und Sauerkraut­bütten für den Haushalt und Jauchefässer für die Landwirtschaft hergestellt wurden. Die hierzu benötigten Rohstoffe waren Lärchen­ und Tannenholz, Bandeisen und Lack.Die Werkstatt besaß Maschinen, die vom Wasserrad der Mühle angetrieben wurden: Gattersäge, Kreissäge, Bandsäge, Hobel­maschine und Drehbank. Billige Wasserkraft brachte dem Meister einen Vorteil vor anderen Werkstätten, so dass er seine Erzeug­nisse nicht nur auf dem Lande, sondern auch in die umliegenden Städte, bis nach Hachen­burg, verkaufen konnte. Ein größerer Ab­nehmer für Jauchefässer war die Pumpen­fabrik in Herborn, die Gußeiserne Jauchever­teiler dagegen lieferte.

Lärchen- und Tannenstämme kaufte der Erd­bacher Faßschreiner selbst ein und schnitt daraus Faßdauben, schmale Bretter mit ko­nischem Querschnitt. Nachdem die Dauben eine Hobelmaschine mit Spezialmessern durchlaufen hatten, wurden sie in die mit dem „Risser“ hergestellten Falze der Böden eingesetzt und von den zu Reifen verniete­ten Eisenbändern zusammengehalten. Da alle Fässer schwach-konisch konstruiert wurden, waren sie nach dem Antreiben der Bänder fest zusammengefügt und wasser­dicht (wobei im Gebrauch jedoch das „Ar­beiten“ des Holzes beachtet werden musste). Jauchefässer erhielten für die Füllöffnung einen Stopfen aus Tannenholz. Dieser wurde am oberen Ende durch drei auf der Dreh­bank eingebrannte Ringe verziert – der einzige Schmuck, den man dem „profanen“ Gebrauchsgegenstand außer der (meist ro­ten) Außenlackierung und dem schwarzen Anstrich der Bandeisen gönnte. – Die Fäs­ser für den Haushalt behielten ihre Natur­farbe.

Etwa 1922 übernahm der Sohn des Grün­ders, Adolf Klein (1893-1968), die Mühle und die Faßschreinerei. Nach einem Auftrieb in den Nachkriegsjahren ging sie 1965 ein, als durch den Rückgang der Landwirtschaft die Voraussetzungen für dieses Spezialhand­werk geschwunden waren.

Quelle: Heimatjahrbuch Dillkreis (Nach Auskünften von Gustav Enners in Erd­bach, geb. 1889). Ernst Henn3 Fotos: Willi Hofmann, Erdbach